Als katholischer Priester und Ordensmann ist es nicht ungewöhnlich, dass Menschen zu einem Beichtgespräch zu mir kommen. Dabei nennen sie in der klassischen Form ihre Sünden. Zunehmend mehr wollen Menschen aber auch eine für sie schwierige Lebenssituation mit einem Außenstehenden vertraulich besprechen und betrachten.
Manchmal kommt es in der klassischen Form vor, dass die beichtende Person sagt, dass sie diese Sünde zwar schon mehrmals gebeichtet hat, es sie innerlich aber immer noch umtreibt. Einige von ihnen meinen, dass Gott ihnen trotz Reue, Beichte und Buße nicht oder noch nicht vollständig vergeben habe, weil sie sich noch immer schmerzlich an diese Untat erinnern.
Diesen Menschen versuche ich, zu erklären, dass die Erinnerung getrennt von der Vergebung zu sehen sei. Ich bemühe mich, diesen Menschen deutlich zu machen, dass die Erinnerung eine wichtige Funktion hat.
Hierzu stelle ich meist die Frage, wie es denn wäre, wenn mit der Vergebung auch unsere Erinnerung an das Geschehen verschwinden würde.
Man könnte dann zwar unbeschwerter leben, aber man liefe auch Gefahr, diesen gemachten Fehler zu wiederholen. Die Erinnerung an diese Untat, so schmerzlich sie sein mag, schützt uns vor leichtfertiger Wiederholung. Da die Erinnerung eine schützende Funktion hat, ist sie so wichtig.
Was hier beschrieben für den einzelnen Menschen gilt, gilt auch für ein ganzes Volk. „Soldatenfriedhöfe sind die stummen Mahner zum Frieden“, so sagte es vor rund 100 Jahren bereits Albert Schweitzer.
Hier vor Ort in Deutschland sind große Soldatenfriedhöfe sehr rar. Was aber jede Stadt und fast jedes Dorf hat, sind Kriegerdenkmale. Sie erinnern uns vor Ort daran, dass allein aus dem eigenen Ort die dort namentlich genannten Menschen im Ersten oder Zweiten Weltkrieg gestorben sind. Manchmal sind sogar aus einer Familie mehrere Personen umgekommen, Vater und Sohn, oder mehrere Brüder. Wenn man in der 2. und 3.
Nachkriegsgeneration die Namen liest, stellt man fest, dass Menschen mit diesem Familiennamen noch heute in dem Ort wohnen.
Krieg ist nicht etwas, was die anderen betrifft, nicht nur die Soldaten, die sich zu diesem Dienst freiwillig gemeldet haben. Im Kriegsfall betrifft es Jeden: Alle Männer zwischen 18 und 60 bzw. 65 Jahren werden dann als Soldaten einberufen, wie aktuell in der Ukraine. Eltern bangen um ihre Söhne, Ehefrauen bangen um ihre Ehemänner, Kinder bangen um ihren Vater. Im Kriegsfall gilt dies für die gesamte Nation.
Aus diesem Grunde ist es für eine Nation auch so wichtig, die Erinnerung wach zu halten an das, was Krieg bedeutet. Soldatenfriedhöfe und Kriegerdenkmale erhalten uns diese wichtige Erinnerung. Daher ist es erforderlich, dass wir beides nicht dem Zahn der Zeit überlassen und langsam verfallen lassen. Insbesondere die Kriegerdenkmale haben hierbei eine wichtige Aufgabe, eben weil sie vor Ort sind.
Bei meinen Reisen durch Deutschland suchte ich auch gezielt Kriegerdenkmale auf. Dabei traf ich auf einige gut gepflegte Kriegerdenkmale. Wenn ich mich erkundigte, wer sich darum kümmere, bekam ich als Antwort, „die Gemeinde“, „die Feuerwehr“, oder „eine Gruppe Rentner“.. Es wurde immer eine Gruppe genannt, die diese wichtige Aufgabe übernimmt. Es kann auch eine lose Gruppe sein, wie z.B. 'diese Rentner'. Jeder kann sich hierbei engagieren. Auch hier gilt: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.
Manchmal musste ich die Menschen fragen, wo in ihrem Ort das Kriegerdenkmal steht. Einige Befragte, - alle im Alter 50+ - wussten nicht, wo das Kriegerdenkmal steht. Es war auch meist so, dass das Kriegerdenkmal ungepflegt oder gar verwildert war. Somit schwindet in diesen Orten die Erinnerung an den Krieg. Dies zeigt jedoch auch eine Keimzelle, auf den Erhalt von Frieden keinen großen Wert zu legen.
Dabei steht auf vielen Kriegerdenkmalen die Zeile „den Lebenden zur Mahnung“. Diese Mahnung kommt bei den Menschen nicht mehr an, weil die Kriegerdenkmale ihre Funktion als Denkmal – ganz im Sinne von „denk mal darüber nach“ – verloren haben.